Das SAFE-Prinzip: Psychologische Sicherheit im Team stärken

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„Bei uns sind wir wie eine große Familie.“ Klingt nett. Warm. Herzlich. Und ehrlich gesagt: auch ein bisschen gefährlich. 

Denn Familienidyll im Büro bedeutet oft – keiner sagt, was wirklich Sache ist. Statt Klartext gibt’s Flurfunk. Statt Feedback: betretenes Schweigen. Und irgendwann knallt’s – oder schwillt weiter unter der Oberfläche, bis keiner mehr Lust hat, wirklich was zu verändern. 

Ich sag’s mal so: Wer als Führungskraft nur auf Harmonie setzt, kriegt keine echten Gespräche. Sondern Schweigen im Meeting und Lästern auf dem Flur. 

Psychologische Sicherheit – was ist das überhaupt?

Du kannst 100-mal betonen, dass Fehler bei euch erlaubt sind, dass jede Meinung zählt. Wenn du als Führungskraft selbst nie Unsicherheit zeigst oder Feedback zulässt, wird sich niemand trauen, offen zu sprechen. Und das merken alle. Sofort. 

Psychologische Sicherheit heißt: Ich kann sagen, was ich denke – ohne Angst vor Abwertung oder Konsequenzen. Das ist kein Kuschelkurs. Das ist Hochleistungskultur. Und sie entsteht nicht über Nacht. Sondern Schritt für Schritt. 

Der amerikanische Leadership-Experte Timothy R. Clark beschreibt vier Stufen, wie Teams psychologische Sicherheit entwickeln: 

1. Inclusion Safety

Ich gehöre dazu – mit all meinen Eigenheiten. In dieser Stufe geht es darum, dass alle Teammitglieder das Gefühl haben: Ich darf hier sein. Ich bin willkommen. Und zwar so, wie ich bin – unabhängig von Herkunft, Meinung, Berufserfahrung oder Persönlichkeit. 

Du kannst diese Stufe aktiv fördern, indem du z. B. neue Teammitglieder mit offenen Armen empfängst, Rituale für Begrüßung und Vorstellung etablierst und in Meetings explizit leise Stimmen einlädst, ihre Gedanken zu teilen. Es geht um Zugehörigkeit – nicht um Gleichmacherei. 

2. Learner Safety

Ich darf fragen, lernen und Fehler machen – ohne Gesichtsverlust. Diese Stufe ist entscheidend für Weiterentwicklung. Denn Lernen heißt auch: scheitern dürfen. Wer nie Fehler machen darf, lernt nichts Neues. 

Führung bedeutet hier, nicht mit dem Finger auf Fehler zu zeigen, sondern Lernprozesse zu begleiten. Zum Beispiel durch Fragen wie: ‚Was brauchst du, damit es beim nächsten Mal besser klappt?‘ oder ‚Was hast du daraus gelernt?‘ Das sendet ein klares Signal: Fehler sind willkommen, solange wir daraus lernen. 

3. Contributor Safety

Ich darf Ideen einbringen – und werde gehört. Auf dieser Stufe geht es nicht mehr nur ums Mitlaufen, sondern um aktives Mitgestalten. Mitarbeitende bringen sich ein, übernehmen Verantwortung und sehen ihren Beitrag als wertvoll. 

Führung bedeutet hier: Räume schaffen, in denen jede Stimme zählt – nicht nur die lauteste. Frage aktiv nach Perspektiven: ‚Was siehst du, was ich übersehe?‘ oder ‚Was ist dein Vorschlag für die nächsten Schritte?‘ Das aktiviert Potenziale und steigert die Motivation. 

4. Challenger Safety

Ich darf den Status quo hinterfragen – auch wenn’s unbequem wird. Das ist die Königsdisziplin. Hier entsteht echte Innovation. Teams, die auf dieser Stufe sind, trauen sich, Risiken anzusprechen, neue Ideen einzubringen und Denkfehler offen zu benennen. 

Führung heißt hier vor allem: Aushalten. Denn Widerspruch tut manchmal weh – ist aber nötig. Wenn du möchtest, dass dein Team wirklich Neues wagt, musst du auch mit Kritik umgehen können. Und zeigen: Kritik ist kein Angriff – sondern ein Angebot zur Verbesserung. 

 

Warum das wichtig ist? Studien zeigen es deutlich: Teams mit hoher psychologischer Sicherheit performen besser. Google’s Project Aristotle nennt sie als entscheidenden Erfolgsfaktor. McKinsey und Gallup belegen: psychologische Sicherheit korreliert mit höherem Engagement, besserer Zusammenarbeit und mehr Innovationskraft. 

Wenn du tiefer einsteigen willst, was psychologische Sicherheit genau bedeutet, welche Studien es dazu gibt und warum sie gerade für Führungskräfte so zentral ist – dann lies gern auch meinen Artikel: „Psychologische Sicherheit in der Führung – warum sie der unterschätzte Erfolgsfaktor ist“.

Warum „SAFE“ mehr ist als ein nettes Modell

Ich erinnere mich an eine Situation, als ich selbst Führungskraft war: In einem kritischen Projektmeeting sagte ich einmal ganz offen: ‚Ich weiß es gerade selbst nicht – was ist eure Einschätzung?‘ Das war nicht leicht. Aber es war der Moment, in dem das Team plötzlich zu einer Einheit wurde. Weil klar war: Hier geht’s nicht ums Rechthaben – sondern ums gemeinsame Denken. Seitdem bin ich überzeugt: Führung beginnt mit Haltung, nicht mit Antworten. 

Diese Erfahrung hat bei mir einiges verändert. Ich habe angefangen, genau hinzuschauen: Was brauchen Teams wirklich, um sich sicher zu fühlen? Daraus ist ein Prinzip entstanden, das dir im Führungsalltag ganz konkret hilft: das SAFE-Prinzip. Keine Buzzwords. Kein Chichi. Sondern alltagstaugliche Hebel, mit denen du psychologische Sicherheit im Team aktiv gestalten kannst.

SAFE steht für: 

  • Sicherheit schenken 
  • Aktiv zuhören 
  • Feedback einholen 
  • Emotionen ansprechen

S wie Sicherheit schenken – fang bei dir selbst an

Klingt banal, ist aber der Knackpunkt: Wenn du selbst nie Unsicherheit zeigst, wird sich in deinem Team auch niemand trauen. 

Sag ruhig mal: 
„Ich hab gerade keine Antwort – aber ich denk drüber nach und komm auf dich zurück.“ 

Das wirkt nicht schwach, sondern glaubwürdig. Führung heißt nicht: alles wissen. Führung heißt: Raum geben, in dem andere auch stark sein dürfen. 

Und wenn ein Kollege mal kritisch nachhakt – sag’s ruhig laut: 
„Gut, dass du das sagst. Genau solche Impulse brauchen wir.“ 

Kleine Sätze. Große Wirkung. 

A wie Aktiv zuhören – auch wenn’s schwerfällt

Sind wir ehrlich: Die meisten hören nicht zu, sie warten nur aufs eigene Sprechen. Kennste? Ich auch. 

Aktives Zuhören heißt: Neugierig bleiben. Nicht gleich bewerten. Erst mal verstehen. Und dann: 

„Wenn ich dich richtig verstanden habe, meinst du …“ 
Oder einfach: 
„Erzähl mir mehr.“ 

Solche Sätze machen aus einem Austausch ein echtes Gespräch. Und sind ein echter Kultur-Booster. 

F wie Feedback einholen – und zwar regelmäßig

Viele Führungskräfte geben Feedback. Aber wie oft holen sie welches ein? Genau. Fast nie. 

Dabei reicht manchmal ein Satz wie: 
„Was übersehe ich gerade?“ 
Oder: 
„Wie hast du das erlebt? Was würdest du anders machen?“ 

Das zeigt: Du meinst’s ernst mit der Beteiligung. Du willst Perspektiven hören. Und du machst klar – du bist nicht unfehlbar. Sondern lernbereit. 

Und nein, das macht dich nicht klein. Sondern stark. 

E wie Emotionen ansprechen – professionell, nicht pathetisch

Emotionen im Business? Für viele ein rotes Tuch. Dabei sind sie eh da – ob du willst oder nicht. Nur wer sie ignoriert, riskiert Missverständnisse, Frust oder Eskalation. 

Es geht nicht darum, dass ihr euch gegenseitig die Seele auf den Tisch legt. Aber: 

Wenn dich etwas trifft – sag es. 
„Das hat mich ehrlich gesagt kurz aus der Kurve geworfen. Ich brauch kurz Zeit.“ 

Oder: 
„Ich merk, das Thema geht grad nicht spurlos an uns vorbei. Wollen wir mal kurz durchatmen, bevor wir weiterreden?“ 

Das ist kein Drama. Das ist Klarheit. Und Professionalität. 

SAFE ist kein Projekt – sondern Haltung

Das SAFE-Prinzip ist kein Tool, das du einmal durchziehst und dann abhaken kannst. Es ist eine Haltung. Ein Führungsstil. Und ja – eine Entscheidung. 

Und das Beste: Du brauchst kein Budget, keine Programme. Nur den Willen, anders zu führen. Denn psychologische Sicherheit beginnt im Kleinen: im 1:1, im Meeting, in deiner Sprache. 

Was du jetzt tun kannst 

1. Reflektier mal ehrlich: Auf welcher Stufe stehen du und dein Team? Inclusion, Learner, Contributor oder Challenger? 

2. Fang klein an: Such dir einen SAFE-Hebel raus und probier ihn aus – vielleicht schon im nächsten Teamgespräch. 

3. Sprich drüber: Mach psychologische Sicherheit zum Thema. Vielleicht mit einer anonymen Teamumfrage. Oder im nächsten Offsite. Aber vor allem: regelmäßig. 

Und wenn du denkst: Klingt gut, aber irgendwie weiß ich noch nicht genau, wie ich das im Alltag verankern soll – melde dich gern. Ich unterstütze Führungskräfte dabei, genau das umzusetzen: gesund, klar und wirksam zu führen – ohne Stress und Raubbau an sich selbst. 

Denn Offenheit ist keine Schwäche. Sondern eine Stärke. Eine, die Teams verändert. Und Unternehmen nach vorn bringt. 

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